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Der amerikanische Freund

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Von Carl Moses, Politik- und Wirtschaftsanalyst für Lateinamerika. Die US-Regierung von Trump, Bessent & Co. ist offenbar entschlossen, die Milei-Regierung und deren Reformkurs mit allem zu unterstützen, was nötig ist. Für Europa kann das eine gute Nachricht sein – wenn es die eigenen Chancen erkennt und nutzt.

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Carl Moses / Carl Moses

Argentiniens Wirtschaft startet mit frischem Schub ins Jahr 2026. Mit einem prognostizierten BIP-Wachstum um 3,4 Prozent laut Umfrage der Zentralbank wird die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas 2026 abermals das höchste Wachstum unter den größten Ökonomien der Region aufweisen. Nach Überwindung der Konjunkturschwäche und der Finanzturbulenzen zur Mitte des Jahres weisen die Frühindikatoren zum Jahresende wieder nach oben. Die Dynamik ist jedoch sehr ungleich verteilt: Rohstoffe, Energie, Finanzsektor und zunehmend auch das Baugewerbe treiben den Aufschwung, während die verarbeitende Industrie noch hinterherhinkt.   

 

Politisch hat sich Mileis Position nach dem klaren Wahlsieg der Regierungspartei La Libertad Avanza bei den Parlamentswahlen im Oktober 2025 deutlich verbessert. Zwar hat der Präsident weiterhin keine eigene Mehrheit im Kongress, doch stellt seine Partei inzwischen die stärkste Fraktion. In Kombination mit Überläufern aus dem Mitte-rechts-Lager und Verhandlungen mit einflussreichen Provinzgouverneuren erscheinen Mehrheiten für zentrale Strukturreformen nun realistisch. Eine umfassende Arbeitsmarktreform ist bereits ins Parlament eingebracht. 

 

Ermöglicht wurde diese Stabilisierung der Regierung Milei in erster Linie durch die massive Unterstützung der US-Regierung. Rechtzeitig vor den Wahlen stellten die USA Argentinien eine Swap-Linie über 20 Mrd. US-Dollar zur Verfügung; zudem intervenierte das US-Treasury mit Peso-Käufen am Markt, um die Währung zu stabilisieren und damit Mileis wichtigsten politischen Erfolg – den Rückgang der Inflation – abzusichern. Diese Rückendeckung reicht weiter als jede bisherige externe Unterstützung und erweitert Mileis politischen und wirtschaftlichen Handlungsspielraum erheblich. 

„Alles, was nötig ist“ 

Schon in den 1990er-Jahren hatte sich Argentinien unter Carlos Menem und Domingo Cavallo durch einseitige Entscheidungen – insbesondere die gesetzliche Anbindung des Peso an den Dollar – die Stabilität der amerikanischen Währung “geliehen” – zunächst ohne die Befürwortung dieser Politik durch den IWF oder die US-Regierung. Erst später wurde dieser Kurs von Washington akzeptiert und schließlich auch aktiv unterstützt. 

Heute hingegen bieten die USA unter Präsident Trump und Finanzminister Scott Bessent Argentinien eine explizite Rückversicherung: die Zusage, “alles zu tun, was nötig ist”, um Javier Milei und seinen Reformkurs zu stützen – solange die Argentinier diesen Kurs politisch mittragen. Diese Unterstützung ist nicht bedingungslos, aber klar formuliert und durch konkrete Maßnahmen unterlegt – und damit substanzieller als jede frühere Anlehnung Argentiniens an die USA. 

Für ausländische Unternehmen bedeutet dieser US-Backstop keinen Wegfall der immer noch hohen Risiken, wohl aber einen verlängerten Planungshorizont. Entscheidend wird sein, ob die Regierung den Macht- und Zeitgewinn nutzt - für den weiteren Abbau von Kapitalverkehrskontrollen, den nachhaltigen Aufbau von Devisenreserven sowie für weitere Reformen in Steuer-, Arbeits- und Regulierungsfragen. 

 

Im November 2025 vereinbarten die USA und Argentinien zudem einen Rahmen für ein bilaterales Handels- und Investitionsabkommen. Es zielt auf Marktzugangserleichterungen, den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, die Anerkennung von Standards, besseren Schutz geistigen Eigentums sowie Kooperationen in Energie, Investitionen und kritischen Rohstoffen. Auch wenn der genaue Inhalt des Abkommens noch ausgehandelt werden muss, scheint der unmittelbare wirtschaftliche Nutzen eher asymmetrisch zugunsten der USA ausfallen. Für Argentinien ist jedoch vor allem die politische Signalwirkung entscheidend: Der Schulterschluss mit Washington wird weiter vertieft und fungiert als zentraler Stabilitätsanker. Während Europa in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Trump-Regierung eher als geschwächte Region erscheint, erfüllt Argentinien unter Milei viele Merkmale jener „regionalen Champions“, die die USA in der priorisierten westlichen Hemisphäre als strategische Partner bevorzugen.  

 

„Einladung zur Entwicklung“  
 

Während die USA Argentinien also gerade eine „Einladung zur Entwicklung“ aussprechen, wie der argentinische Politologe Andrés Malamud es nennt –, vergleichbar mit der US-Unterstützung für Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg -, zögert Europa weiterhin, durch die offene Tür des EU-Mercosur-Abkommens zu gehen. Zwar hält die EU-Kommission am Ziel fest, das Mercosur-Abkommen noch 2025 zu unterzeichnen, doch der politische Widerstand – insbesondere aus Frankreich – verzögert den Prozess und gefährdet die allfällige Ratifizierung im EU-Parlament. Nach mehr als 25 Jahren Verhandlungen wächst in Brüssel zugleich der Druck, die eigene Glaubwürdigkeit als Handelspartner zu wahren und die strategische Position gegenüber den USA und China zu stärken, nicht zuletzt zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, Erdöl und -gas oder auch grünem Wasserstoff auf Basis der günstigen erneuerbaren Energien im Mercosur. 
 

Chancen längst nicht ausgeschöpft 

 

Deutschland hat hier bereits erste Akzente gesetzt. Ab 2027 wird das staatliche Energiehandelsunternehmen SEFE jährlich rund 2 Mio. Tonnen LNG aus Patagonien beziehen. Zudem errichtete das Hamburger Unternehmen Oiltanking für rund 600 Mio. US-Dollar eine neue Rohöl-Exportdrehscheibe in Puerto Rosales – die größte deutsche Direktinvestition der jüngeren Zeit in Argentinien. 
 

Auch kurzfristig eröffnen sich Geschäftschancen: Argentiniens Warenimporte stiegen 2025 um rund 27 Prozent auf etwa 77 Mrd. US-Dollar und dürften 2026 weiter wachsen. Die deutschen Lieferungen legten in den ersten neun Monaten 2025 um 25 Prozent zu – stärker als aus anderen EU-Ländern, aber schwächer als aus Argentiniens größten Handelspartnern Brasilien und China. 
 

Hinzu kommt das attraktive Förderregime für Großprojekte, RIGI. Bislang wurden neun Vorhaben mit einem Volumen von rund 25 Mrd. US-Dollar genehmigt. Schwerpunkte liegen in den Bereichen Energie und Bergbau. Weitere Projekte befinden sich in Prüfung. Noch bis Mitte 2027 können neue Anträge gestellt werden - mit möglicher Verlängerung um ein Jahr. Auch Zulieferer der Großprojekte können von den Zoll- und Steuervorteilen profitieren.  

 

Für deutsche Unternehmen ergeben sich damit Perspektiven vor allem in Maschinen- und Anlagenbau, Energie- und Umwelttechnik, Bergbau- und Prozesstechnologie, Chemie, IT- und Infrastruktur-Lösungen. Über das Liefergeschäft hinaus wären deutsche Unternehmen in Argentinien auch als Projektpartner beim Aufbau neuer Wertschöpfungsketten entlang langfristiger Transformations- und Industrialisierungspfade gefragt. 

Kontakt: Carl.Moses@gmx.net, linkedin.com/in/carl-moses 

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