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Wissensbasierte Wirtschaft in Argentinien: Kreativ, leistungsfähig, innovativ und exportorientiert

26.03.2021

Die von COVID-19 verursachte Pandemie führte weltweit zu einem exponentiellen Wachstum der digitalen Wirtschaft, vor allem in den Ländern, die bei der Anwendung neuer Technologien bislang einen größeren Rückstand aufwiesen. Der Wirtschaftssektor der wissensbasierten Dienstleistungen ist einer der Gewinner der Coronakrise. –

Die von COVID-19 verursachte Pandemie führte weltweit zu einem exponentiellen Wachstum der digitalen Wirtschaft, vor allem in den Ländern, die bei der Anwendung neuer Technologien bislang einen größeren Rückstand aufwiesen. Der Wirtschaftssektor der wissensbasierten Dienstleistungen ist einer der Gewinner der Coronakrise.

Auch in Argentinien hat die Branche während der letzten Monate einen signifikanten Schub erfahren, war aber bereits vor Ausbruch der Pandemie in diesem Bereich solide aufgestellt: Laut Argencon, einem Zusammenschluss von argentinischen und internationalen Tec-Unternehmen, überstieg der Gesamtexport der wissensbasierten Dienstleistungen in Argentinien im Jahr 2019 etwa 6 Mrd. USD. Heute entsprechen die wissensbasierten Dienstleistungen etwa 8% der Gesamtexporte, was den Sektor auf den dritten Platz bei den Exportkomplexen positioniert, nur übertroffen von den Exporten der Ölsaaten- und Getreidekomplexe. Globant, eines der argentinischen „Einhörner“, ein in 16 Ländern vertretenes Unternehmen für Technologieentwicklung und digitale Transformation, beschäftigt mittlerweile mehr als 12.500 Mitarbeiter und exportiert rund 90% seiner Dienstleistungen.

Nach Informationen des argentinischen Produktionsministeriums gab es 2019 in Argentinien ein Netzwerk von 55 Technologieparks und Cluster in dem Bereich, von denen über die Hälfte auf vier Provinzen verteilt ist: die Stadt Buenos Aires, Provinz Buenos Aires, Córdoba und Santa Fe.

Argentinien ist im globalen Vergleich ein eher atypisches Land im Hinblick auf seine Stärken und Schwächen mit anderen Referenzländern der wissensbasierten Wirtschaft: Es hat Vorteile bei der Verfügbarkeit von Talenten, der Leistungsfähigkeit seiner Dienstleistungszentren, den unternehmerischen Fähigkeiten, der Geschäftsentwicklung, der Exportorientierung und der zum Teil hochklassigen Innovationsschmieden im Land.

Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) fördert Argentinien und die Region Lateinamerika in der Branche seit gut zehn Jahren. Fabrizio Opertti, Manager des Integrations- und Handelssektors der Bank, ist überzeugt von den Talenten in Argentiniens Sektor der wissensbasierten Dienstleistungen. Er weist in diesem Zusammenhang beispielhaft darauf hin, dass auch ein Argentinier an der Entwicklung des bekannten Fußball-Videospiels FIFA beteiligt war.

Einer der Faktoren, der Argentinien von anderen Schwellenländern unterscheidet, ist die Vielfalt und Qualität seines wissenschaftlich-technologischen Systems. In Disziplinen wie Biologie, Nuklear- und Satellitentechnik, Neurowissenschaften, Gesundheitswissenschaften, Bodenwissenschaften und Biogenetik zeichnet sich das Land durch seine regionale Führungsrolle aus. Auch internationale Firmen haben das argentinische Potenzial erkannt und setzen darauf. So investierte IBM 2018 beispielsweise 15 Mio. USD in den Ausbau seiner digitalen Innovationskapazitäten und öffnete das „Client Center“, ein technologisches Innovationszentrum, in welchem mit künstlicher Intelligenz, Cloud-Services, Blockchain, Sicherheit und Internet der Dinge gearbeitet wird. In diesem Bereich ist der Markt auch für deutsche Unternehmen als globales Zentrum für Offshoring und IT-Entwicklungsaktivitäten interessant. 

Der Softwaresektor macht etwa 30% der nationalen Exporte von wissensbasierten Dienstleistungen aus und die ständige Weiterentwicklung digitaler Technologien wirkt sich trotz teils schwieriger Konjunkturzyklen positiv auf das Wachstum des Sektors aus. Der Sektor wuchs seit dem Softwareförderungsgesetz von 2004 signifikant und auch die Beschäftigung stieg seit 2009 um knapp 48%, was Argencon dazu veranlasst, den Sektor als einen der leistungsfähigsten Wirtschaftssektoren der argentinischen Produktionsmatrix in den letzten zwei Jahrzehnten zu bezeichnen.

Neben Softwaredienstleistungen ist Argentinien auch in den Bereichen BPO (business process operations) und KPO (knowledge process operations) interessant und verfügt über ein hoch entwickeltes Ökosystem, welches Unternehmenszentren mit Tausenden von Mitarbeitern, mittelständische Unternehmen und Freiberufler umfasst. Die technische Kompetenz der argentinischen Fachkräfte ist in diesem Bereich grundsätzlich anerkannt und die Aktivitäten sind für etwa 60% der Exporte und der Beschäftigung in den wissensbasierten Branchen verantwortlich.

Das Profil der argentinischen Fachkräfte mit der besonderen Fähigkeit zur Bedienung komplexer Funktionen, die ein Urteilsvermögen erfordern und wesentlich anspruchsvoller sind als die wiederholte Bedienung einfacher Abläufe, ist auch dem sozialen Umfeld geschuldet. Das Aufwachsen in einem volatilen Wirtschaftsumfeld begünstigt und fördert die Lösung von nicht-linearen Problemen und Situationen und wird entsprechend vor allem für die Entwicklung von Wissensaktivitäten geschätzt, die Originalität und Kreativität erfordern, Attribute, die in starreren und statischen sozialen und kulturellen Systemen nur schwer zu replizieren sind. Es ist in diesem Zusammenhang aber unerlässlich, die Bildungsanstrengungen auf die vom Sektor geforderten Kompetenzen auszurichten, um eine konstante Entwicklung zu gewährleisten. Das Bild der argentinischen Talente zeigt in diesem Kontext einige Widersprüche auf: Auf der einen Seite gibt es hochklassige Universitäten, aus denen außergewöhnlich innovative und kreative Talente hervorgehen. Sie haben das Potenzial, erfolgreiche Tech-Unternehmen zu gründen, allerdings fehlt ihnen die nötige breite Basis gut ausgebildeter Fachkräfte, um ihr Geschäftsideen skalieren zu können. Das vorhandene Personal reicht nicht aus, um die Bedarfe des Marktes zu decken. Hier besteht in Argentinien Nachholbedarf, die Kluft zwischen der innovativen „Elite“ und der ausführenden Basis zu schließen. Auch einige KMU lassen immer wieder verlauten, dass nicht genug Fachkräfte an der Basis verfügbar sind. Viele lokale KMU benötigen junge Talente mit technologischen und digitalen Kenntnissen. Die AHK Argentinien hat darauf reagiert und bietet seit Anfang 2019 die duale Ausbildung zum IT-Fachwirt an, in der die Auszubildenden mit aktuellen Digitalisierungsprozessen, verbunden mit Industrie 4.0 mit Themen wie Künstliche Intelligenz, IoT und BigData vertraut gemacht werden, welche sie nach Abschluss dazu befähigen, in den Bereichen Infrastruktur, Analyse, Entwicklung, Datenbank, Sicherheit und Industrie zu arbeiten.

Auch deutschen Unternehmen eröffnen sich in diesem Bereich interessante Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten. Der argentinische Markt ist darauf angewiesen, Talente im Land zu halten und eine klare Verbindung zwischen Aus- und Weiterbildung und der Anwendung im Markt zu schaffen. Deutsche Unternehmen bauen auf einen beträchtlichen Erfahrungsschatz, der in Argentinien zunehmend an Relevanz gewinnt.

 

Kontakt: Anna Billharz| abillharz(at)ahkargentina.com.ar