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Ringen um die knappen Devisen

17.03.2020

Das Ausmaß der Devisenknappheit wird vom Verlauf der Umschuldung abhängen. Hundert Tage nach dem Amtsantritt von Präsident Alberto Fernández ist der Kurs der Wirtschaftspolitik ebenso wie der Ausblick für die wirtschaftliche Entwicklung in Argentinien immer noch unklar.

Hundert Tage nach dem Amtsantritt von Präsident Alberto Fernández ist der Kurs der Wirtschaftspolitik ebenso wie der Ausblick für die wirtschaftliche Entwicklung in Argentinien immer noch unklar. Eines scheint jedoch gewiss. Devisen werden in Argentinien noch für längere Zeit ein knappes Gut bleiben. Ausländische Kredite sind vorerst nicht verfügbar, die Direktinvestitionen dümpeln auf niedrigem Niveau und die Exporterlöse sind durch die Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft gefährdet. Auch der gerade so gut in Schwung gekommene Tourismussektor könnte darunter leiden.

Die Restrukturierung der Staatsschulden hat oberste Priorität für die neue Regierung. Vom Verlauf der Umschuldungsgespräche mit dem IWF und den privaten Gläubigern wird abhängen, ob beziehungsweise wann und in welchem Umfang Argentinien wieder Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erlangen wird. Die bis Ende März gesetzte Frist für die Umschuldung der im Ausland begebenen Staatsanleihen erscheint sehr ambitioniert.

Da keine ausreichenden Devisen zur Verfügung stehen, muss der Mangel verwaltet werden. Die von der neuen Regierung verschärften Devisenbeschränkungen scheinen wirtschaftlich effizienter gestaltet zu sein als die entsprechenden Regeln unter der früheren Kirchner-Regierung. Der Erwerb von Devisen für private Zwecke ist streng limitiert und mit einer Zusatzsteuer von 30 Prozent belegt. Gewerbliche Warenimporte sind dagegen von der Devisensteuer ausgenommen und bisher formell auch mengenmäßig kaum begrenzt. Auch für Importe sind zunehmende Beschränkungen allerdings höchst wahrscheinlich. Ausländische Unternehmen, die in Argentinien tätig sind, dürfen Gewinne und Kapital vorerst nicht an die Mutterhäuser überweisen. Viele Unternehmen werden darum in die Auffüllung ihrer Lagerbestände investieren. Dies dient nicht nur als Flucht in Sachwerte zum Schutz vor der immer noch hohen Inflation. Auch angesichts der Auswirkungen des Coronavirus auf die internationalen Lieferketten ist eine erhöhte Vorratshaltung angesagt. Die Beschränkungen der Gewinn- und Kapitaltransfers sind vor allem ein großes Hemmnis für neue langfristige Investitionen da sie Unsicherheit über zukünftige Konditionen schafft.

Zu den strategischen Wachstumsbranchen, die als potenzielle Devisenbringer auch von der neuen Regierung favorisiert werden, gehören die Öl- und Gasförderung, der Bergbau (mit besonderem Augenmerk auf Lithium) sowie die Entwicklung von wissensbasierten Dienstleistungen wie Software, Forschung und Beratung oder Produktion von Medieninhalten. Über die geplanten Sonderregelungen für diese strategisch wichtigen Branchen herrscht bisher allerdings noch erhebliche Unsicherheit.

Argentiniens Privatsektor verfügt durchaus über hohe Devisenreserven. Das von Unternehmen und Privatleuten im Ausland oder in Safes gebunkerte Kapital beläuft sich laut offiziellen Daten auf 322 Milliarden Dollar und übersteigt damit die Höhe der gesamten Auslandsverschuldung Argentiniens. Dies macht deutlich, dass es in Argentinien nicht an Devisen und Kapital mangelt, sondern an Vertrauen und Zuversicht der Wirtschaftsakteure. Sofern die Politik geeignete Rahmenbedingungen setzt, könnten die hohen Kapitalreserven der Argentinier mobilisiert werden. Die neue Regierung versucht mit verschiedenen Maßnahmen privates Auslandskapital ins Land zurückzuholen. Ein Notgesetz erhöht die Steuer auf im Ausland gehaltenes Vermögen drastisch, gewährt jedoch Steuernachlässe für Sparer, die mindestens 5 Prozent ihrer Auslandsanlagen repatriieren. Ob diese Anreize wirken werden, bleibt indes abzuwarten.

 

Kontakt:
Carl Moses
GTAI