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Argentiniens Wasserstoffpotenzial: Ein verborgener Riese nimmt langsam Gestalt an

26.03.2021

Das stetige Fortschreiten der Industrialisierung bringt auch Herausforderungen in Bezug auf das Klima. Argentinien besitzt exzellente Ausgangsbedingungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in großen Mengen, seine Nutzung im Land sowie den Export. Das Thema kommt in Argentinien allmählich auf die Agenda.-

Das stetige Fortschreiten der Industrialisierung bringt Herausforderungen in Bezug auf das Klima. Laut einem Bericht[1] der Deutschen Bundesregierung ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung um etwa 1° C Grad gestiegen – Tendenz steigend. Verantwortlich hierfür sind Treibhausgase, die vor allem durch menschliche und wirtschaftliche Aktivität erzeugt werden, insbesondere durch das Verbrennen fossiler Energieträger und Abholzung von Wäldern. Die Erreichung internationaler Klimaziele fordert neue Technologien und nachhaltige Erzeugungsarten von Energie, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen.

In aller Munde ist momentan Wasserstoff. Er wird je nach Erzeugungsart in verschiedene Farben unterteilt. So wird zwischen grauem (manchmal auch braunem), blauem und grünem Wasserstoff unterschieden.

  • Grauer (bzw. brauner) Wasserstoff wird mithilfe eines Verfahrens, welches sich Dampfreformierung nennt, aus fossilen Energieträgern, hauptsächlich Erdgas, gewonnen und hat eine entsprechend hohe negative CO2-Bilanz.
  • Blauer Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas mit dem gleichen Verfahren gewonnen, bindet jedoch 90% der Treibhausgasemissionen und speichert sie unterirdisch. Diese Art von Wasserstoff ist weniger umweltbelastend, seine Herstellung jedoch auch deutlich kostspieliger.
  • Große Hoffnung liegt auf dem grünen Wasserstoff als klimafreundlicher Brennstoff. Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse aus ausschließlich erneuerbaren Energien gewonnen und ist entsprechend CO2-neutral.

 

Die EU möchte vor allem auf grünen Wasserstoff setzen und auch Deutschland hat mit seiner Wasserstoffstrategie die Produktion auf die Agenda und sich selbst zum Ziel gesetzt, in dem Bereich eine Führungsposition einzunehmen. Weltweit wird erwartet, dass die Nutzung von Wasserstoff als Energievektor mit geringen Kohlenstoffemissionen im nächsten Jahrzehnt beschleunigt und ausgeweitet wird, was ihn zu einem Schlüsselelement für die Erfüllung der industriellen Dekarbonisierungsziele macht.

Geeignete Produktionsstandorte für grünen Wasserstoff sind idealerweise reich an Sonne und Wind, also den erneuerbaren Energieträgern, aus denen er schlussendlich gewonnen wird. Argentinien zeichnet sich in dieser Hinsicht durch seine natürliche geographische Beschaffenheit aus. Das Land besitzt exzellente Ausgangsbedingungen zur Erzeugung von Wind- und Solarenergie, große bisher nicht wirtschaftlich genutzte Flächen und eine nachhaltige Verfügbarkeit von großen Süßwasserressourcen für die Erzeugung von erneuerbaren Energien und Elektrolyse insbesondere in Patagonien. Dies schafft auch im weltweiten Vergleich herausragende Voraussetzungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in großen Mengen, seine Nutzung und den Export. Nach Aussagen der Deutschen Energie Agentur (DENA), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem Beratungsunternehmen Navigant und dem ThinkTank adelphi im Rahmen einer im August 2019 veröffentlichten Kurzanalyse zu ausgewählten Aspekten potenzieller Nicht-EU-Partner wird Argentinien mit folgendem Kooperationspotenzial für Deutschland eingestuft: Perspektive 2030 „gut geeignet“, Perspektive 2050 sogar ein „absolutes Exportpotenzial“. Auch das Fraunhofer IEE schätzt das Potenzial Argentiniens in der Herstellung von grünem Wasserstoff in großem Maßstab in naher Zukunft als ausgesprochen hoch ein. Argentinien hat Topvoraussetzungen, einer der wichtigsten Handelspartner für Deutschland und die EU im Bereich des grünen Wasserstoffs zu werden.

In der Anwendung kommt das Thema in Argentinien allmählich auch auf die Agenda. Das Land möchte sowohl die Produktion von Wasserstoff aus Erdgas als auch von grünem Wasserstoff verstärken. Lokaler Pionier ist in diesem Zusammenhang die Firma Hychico, eine Tochtergesellschaft eines lokalen Energiekonzerns, welche am Stadtrand von Comodoro Rivadavia in der patagonischen Provinz Chubut seit über zehn Jahren eine Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff betreibt, die zu den fortschrittlichsten ihrer Art weltweit zählt. Im Juli 2020 riefen außerdem Y-TEC, das Technologieunternehmen des argentinischen Energieunternehmen YPF, und der Nationale Rat für wissenschaftliche und technische Forschung (CONICET), ein Konsortium für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Argentinien – genannt H2ar – ins Leben. Die Initiative soll einen gemeinschaftlichen Arbeitsraum zwischen Unternehmen der Wasserstoff-Wertschöpfungskette schaffen. Die Unternehmen des Konsortiums sind sich der äußerst wettbewerbsfähigen erneuerbaren Ressourcen Argentiniens, seiner bedeutenden Erdgasreserven und deren hervorragende natürliche Voraussetzungen für die Wasserstofferzeugung bewusst. Für die erste Etappe, die zwei Jahre dauern wird, wurden daher sieben Arbeitsbereiche definiert, welche sich mit der Untersuchung von Szenarien für die Produktion, den Transport und den Export von Wasserstoff sowie an der Bewertung konkreter Anwendungsmöglichkeiten in den Bereichen Mobilität, Industrie, Erdgasnetz und Strom befassen. "Eines der ersten Ziele des Konsortiums wird es sein, eine gemeinsame Vision zu konsolidieren und Roadmaps in verschiedenen Anwendungsbereichen zu skizzieren, um Herausforderungen zu identifizieren, gemeinsame Pilotinitiativen zu fördern und ein regulatorisches und geschäftliches Umfeld zu schaffen, das die Entwicklung lokaler produktiver und technologischer Fähigkeiten fördert", so Santiago Sacerdote, Geschäftsführer von Y-TEC.

Das Thema „grüner Wasserstoff“ bekommt in Argentinien allmählich mehr Aufmerksamkeit. Allerdings verfügt das Land bereits über ein Wasserstoffgesetz, welches 2006 verabschiedet wurde, jedoch seither nicht in Kraft getreten ist. Dieses soll nun neu formuliert und an aktuelle Herausforderungen angepasst werden. Ein positiver und wichtiger Schritt, denn mit dem Rechtsrahmen wird die Grundlage für eine Dynamisierung dieses zukunftsträchtigen Bereichs geschaffen, der deutschen Anbietern von Umwelttechnologien etliche Geschäftsmöglichkeiten im Bereich des grünen Wasserstoffes eröffnen wird.

Kontakt: Anna Billharz | abillharz(at)ahkargentina.com.ar

 


[1] Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) (2020), Klimaschutz in Zahlen