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Argentinien: Ihre Chance zum Protagonisten der globalen Bioökonomie zu werden

22.06.2022

Experten aus verschiedenen Bereichen analysieren in einer Diskussionsrunde, veranstaltet von der AHK Argentinien, welche Möglichkeiten und Herausforderungen die aktuelle geopolitische Situation für ein rohstoffreiches und wertschöpfungsintensives Land wie Argentinien bietet.

Die Welt befindet sich in einer äußerst komplexen Situation, in der mehrere Herausforderungen in der globalen Wirtschaft gleichzeitig zu bewältigen sind: das Fortbestehen der Pandemie, Störungen in der Produktion und der weltweiten Versorgung mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln - hauptsächlich als direkte Folge des Krieges in Europa - und ein Anstieg der weltweiten Inflation.

In dieser kritischen Zeit hat Argentinien die Möglichkeit - und auch die Verantwortung -, seine internationale Rolle bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit in vielen Teilen der Welt auszubauen. Gleichzeitig könnte Argentinien in Anbetracht der Dringlichkeit der Situation einen raschen Produktivitätssprung machen, der es dem Land ermöglicht, langfristig einen Mehrwert für seine Industrie zu schaffen. Um dies zu erreichen, muss es jedoch seine Produktionsstruktur und Prioritäten kurzfristig neu definieren.

Deutschland konzentriert sich auf die Stärkung der Beziehungen, insbesondere mit Ländern, die in der Lage sind, die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu befriedigen: Bundeskanzler Olaf Scholz bestätigte auf seiner jüngsten Reise durch mehrere afrikanische Länder, dass Argentinien sowie Indien, Indonesien, Südafrika und Senegal zum G7-Gipfel Ende Juni in Bayern eingeladen werden sollen. Eines der Hauptthemen des Treffens der Vertreter der wirtschaftlichen und demokratischen Mächte der Welt wird die Ernährungssicherheit sein, ebenso wie der Krieg in der Ukraine, der Kampf gegen die Pandemie und die internationale Zusammenarbeit beim Klimawandel.

Die Klimakrisen der letzten Jahre, die durch ökologische Ungleichgewichte verursacht, in verschiedenen Teilen der Welt zu Dürren, Überschwemmungen und extremen Temperaturen geführt haben, haben den Druck auf Länder wie Argentinien verstärkt. Sie tragen nicht nur eine enorme Verantwortung dafür, die Produktionsmengen zu erhöhen, um eine größere Anzahl von Menschen zu ernähren, sondern auch für eine effiziente Nutzung der Ressourcen. Um dies zu erreichen, ist der Einsatz von Technologie unerlässlich. "Als Unternehmen müssen wir uns auf die technologische Ausbildung konzentrieren und darauf, wie diese Technologien in die Praxis umgesetzt werden können, um angesichts der steigenden Anforderungen von Verbrauchern und Märkten eine Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten", sagte Luciano Viglione, Direktor für öffentliche Angelegenheiten und Nachhaltigkeit bei Bayer, kürzlich auf der letzten Sitzung des Deutsch-Argentinischen Wirtschaftsrats, der von der Argentinischen Industriegewerkschaft (UIA) und der AHK Argentinien koordiniert wird. "Wir müssen darauf hinarbeiten, den KMU zu zeigen, dass nachhaltiges Arbeiten rentabler ist, und den Wissensfluss in der gesamten Wertschöpfungskette demokratisieren", fügte er hinzu.

Nicht nur die enormen natürlichen Ressourcen Argentiniens, sondern auch der hohe technologische Entwicklungsstand im Bereich der Biogenetik sind Faktoren, die das Land zum idealen Kandidaten für die Besetzung der vakanten Position in den Lebensmittelversorgungsketten machen. Angesichts der Dringlichkeit des Konflikts sind jedoch kurzfristig Produktions- und Handelsanreize sowie internationale Handelsabkommen erforderlich, die es Argentinien ermöglichen, eine größere Anzahl von Märkten mit mehr Produkten zu erreichen. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung der Ratifizierung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur erneut zur Sprache gebracht.

Am 7. Juni diskutierten wir über diese Themen mit renommierten und erfahrenen Experten aus den Bereichen Agrarindustrie, Bioökonomie und internationale Beziehungen.

Amador Sánchez Rico, Botschafter der Europäischen Union in Argentinien, bemerkt: „Der grüne Übergang war schon vor dem Krieg eine Priorität für die EU, jetzt ist er es noch mehr. Wir müssen die Versorgungsketten ändern und nach neuen Energielieferanten suchen, und Argentinien kann dabei eine Schlüsselrolle spielen. Jetzt ist es an der Zeit, auf das Gaspedal zu treten, um das EU-Mercosur-Abkommen abzuschließen. Mit einer Einigung wären wir viel besser dran als ohne. Es würde uns einen Rahmen und Vorhersehbarkeit auf beiden Seiten bieten.“

Auch Nelson Illescas, Direktor der Stiftung INAI, der Getreidebörse Buenos Aires spricht von der Wichtigkeit der Handelsabkommen, welche den Zugang zu neuen Märkten mit mehr Produkten ermöglichen: "Argentinien und Brasilien sind zwei der wichtigsten Nettoexporteure von Lebensmitteln. In Argentinien fehlen jedoch Handelsabkommen, die die Einfuhr unserer Produkte in die Welt erleichtern. Deshalb exportieren wir bisher nur wenige verarbeitete Erzeugnisse für den Einzelhandel.“ 

Fernando Vilella, Professor für Agrarwirtschaft und Direktor des Programms für Bioökonomie der Universität Buenos Aires, verdeutlicht den umfassenden Nutzen der Bioökonomie und stellt das enorme Potenzial Argentiniens in diesem Bereich in den Mittelpunkt: „Die Bioökonomie umfasst die nachhaltige Nutzung von Biomasse. Dafür ist einerseits eine bedeutende photosynthetische Fläche erforderlich, welche Argentinien besitzt. Sie muss weiterhin um eine bestimmte Eigenschaft ergänzt werden, nämlich Unternehmer, die Wissenschaft und Technologie nutzen, um die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, auf nachhaltige Weise Produkte zu erzeugen. Auch diese sind in Argentinien vorhanden. Wenn ich auf die Zukunft wetten müsste, würde ich Europas Erfahrung in der Vermarktung und dem Export von Produkten mit hohem Mehrwert mit dem argentinischen Produktionspotenzial kombinieren, um gemeinsam in die Welt zu gehen, dorthin, wo die Nachfrage sein wird: Asien und Afrika.“

Kontakt: Julieta Barra | jbarra(at)ahkargentina.com.ar